Ein Tag im Torfstich   von Reiner Meyer
Wer kennt sie nicht, die ,,Höll” zwischen Bäumenheim und Auchsesheim (100 Tagwerk) oder die ,,Hölle” bei Heißesheim  (mit mehr als 300 Tagwerk)? Verborgen unter einer meterdicken Humus- und Lehmschicht liegt der Torf, entstanden aus versunkenem Pflanzenbewuchs.
Torf war ein wichtiger Grundstoff und Energieträger im 19. Jahrhundert und bis Mitte des 20. Jahrhunderts geeignet zur Beheizung der Wohnhäuser, aber auch zum Antrieb von Dampfmaschinen in der Industrie. So wurde eifrig nach ihm gegraben, mit den Eigenbedarf, aber auch zum Verkauf. Im Sommer, wenn die Landwirte die anstehenden Feldarbeiten verrichtet hatten, wurden das Torfwerkzeug (Spalte, Pletschen, Torfmesser und der Gumper, eine einfache Handpumpe für 2 Personen mit 3 m Länge, Rohr 20-25 cm ø) und die Torfkarren hergerichtet, auf die eisenbereiften Ackerwagen geladen und mit Ochsen, Kühen oder gar Pferden zum Ort des Geschehens  gebracht. Jeder suchte auf seinem eigenen Grundstück die besten Vorkommen, um die oft 2 m starken Torfauflagen ans Tageslicht zu befördern.
Die ganze Familie war unermüdlich im Einsatz, für jeden gab’s viel Arbeit. Zuerst wurden die niedrig
liegenden, feuchten Wiesen abgemäht und Gras und Schilf entfernt, um eine freie sonnige Fläche zum Aufringeln des Torfes zu gewinnen. Dann begann die harte Knochenarbeit. Mit dem Spalten, einem langen dreieckigen Messer mit einem kräftigen, rohgeschnitzten Stiel, wurde der oft meterdicke Abraum abgestochen und durch Eingießen von Wasser beweglich gemacht. Drei bis vier kräftige Händepaare wuchteten so lange, bis die meterbreite Bank freigelegt war. Die fruchtbare Oberschicht und der wasserundurchlässige Lehm wurden in die vorjährige Abbauzone gewuchtet, wo sie im Grundwasser versanken. Bald konnte mit dem Abbau begonnen werden. Denn jetzt wurde der 3 bis 4 m lange Gumper eingesetzt. Um den Wasserstand zu senken, mussten zwei Leutchen schon kräftig ziehen und das Wasser in den nächsten Graben heben. Manchmal kamen auch kleine, handgroße Spiegelkarpfen zur Freude der Kinder mit heraus. Der Torfstecher stieg dann in die Grube und schubste mit kräftigem Schwung die 30 cm langen Torfstücke mit seinem scharfen Torfmesser empor, und der Fänger schnappte sie auf und schichtete sie auf den Karren, um sie dann zum Trockenplatz zu fahren und dort aufzuringeln. Das war die Arbeit von Frauen und Kindern, und dem Ideenreichtum beim Aufschichten waren keine Grenzen gesetzt, aber zählbar mussten die Stückchen bleiben, nämlich die ,,Tausend”.
Trotz der schweren Arbeit war auch sehr viel Spass dabei, und die Brotzeit mit Essigwasser oder sogar Bier schmeckte vorzüglich. Hatte jede Familie ihren Jahresbedarf geborgen, wurde das Brennmaterial sorgfältig getrocknet und mehrmals umgehäufelt. Regen und Nässe schadeten der Torfqualität, aber die Sonne half kräftig mit, so dass man dem Winter beruhigt entgegensehen konnte. So wurde aus dem ursprünglich feuchten Wiesenland unsere ,,Höll”, in der viele wasserliebende Tiere und Pflanzen ihre Heimat fanden und mit der ein Stück gesunder Natur bewahrt werden konnte. (HB 1987)